Mystery Check Hotellerie Teil 5/7: Hoteltest-Ergebnisse
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Hoteltest-Ergebnisse richtig auswerten

14.05.2012 | Kadner Hotel Consulting

Mystery Check - Führungs- und Motivationsinstrument oder Angst- und Panikmacher?

Immer wieder erleben Hoteltester, dass ihnen mit Distanz, Ehrfurcht, Feindseligkeit oder gar offensichtlicher Abneigung begegnet wird. Auch stellen Testkunden/-gäste fest, dass in einer zeitlichen Periode, für die ein anonymer Servicetest angekündigt ist oder innerhalb dessen er vermutet wird, regelrechte Panik und unangemessene Geschäftigkeit bei den Teammitgliedern herrschen.

Ein Beispiel dazu: Zusammen mit einer Kollegin besuchte ich ein mit vier Sternen ausgezeichnetes Hotel in der deutschen Hauptstadt. Wir waren im Auftrag eines Zertifizierers unterwegs, der für den auf unseren Anreisetag folgenden Tag einen Termin für ein so genanntes offenes Zertifizierungsaudit mit dem Hotelier vereinbart hatte. Meine Kollegin und ich reisten unabhängig voneinander an. Bereits bei der Anreise fiel uns auf, dass im Außenbereich des Hotels kräftig geputzt und gefegt wurde, es wurden neue Schmutzfangmatten angeliefert und Plakate mit aktuellen Aktionen und Packages ausgehängt. Dies ist nicht verwerflich, da es schließlich zum Vorteil aller Gäste reichte.

Weniger erfreulich gestaltete sich allerdings die Servicequalität, die Aufmerksamkeit, die Verfügbarkeit und die Freundlichkeit der Mitarbeiter. Die Damen und Herren waren so intensiv auf die ihnen auferlegten Aufräum- und Putzarbeiten konzentriert, dass sie gar keine Zeit mehr für die anwesenden Gäste hatten. So saßen wir am Abend über 40 Minuten in der Bar, ohne dass der diensthabenden Mitarbeiter sich nach unseren Getränkewünschen erkundigt hätte. Wenngleich ich dann doch bei späterer Gelegenheit erwähnte, dass ich noch nicht gegessen habe und gern eine Kleinigkeit zu mir nehmen möchte, wurde hierauf weder mit dem Angebot die Snackkarte vorzulegen noch mit dem Hinweis dass die Küche in 20 min schließt reagiert.

Beim Frühstück am nächsten Morgen waren insgesamt acht Mitarbeiter für ca. 60 Gäste anwesend. Alle acht verräumten stets etwas am Buffet, achteten darauf, dass alle Frühstücksprodukte gemäß konzerneigenem Standard in ausreichender Menge präsentiert wurden, sorgten für die Sauberkeit des Buffets und Fußbodens, versäumten es jedoch völlig, die Gäste zu begrüßen, Heißgetränke auszuschenken und benutztes Geschirr auszuheben. Hier war ganz offensichtlich, dass das Management des Hotels falsche Schwerpunkte gesetzt hatte und durch ein offensichtlich erfolgtes Briefing eher für Panik als für Aufgeschlossenheit gesorgt hatte.

Die Ursache für diese Verhaltensweisen liegt meist in einem fehlerhaften Umgang mit den Audit-Ergebnissen und an dem Fehlen einer gelebten Unternehmens- und Fehlerkultur, die Schwächen als Chancen versteht. Dies sei an einem weiteren Beispiel verdeutlicht: Ein Vier-Sterne Superior Hotelbetrieb im Nord-Osten Deutschlands wurde einem Mystery Check unterzogen.

Dieses Haus lässt seit nunmehr fast zehn Jahren regelmäßig ein bis drei Quality Audits per anno durchführen und hat sich in dieser Zeit äußerst positiv entwickelt. Ausgehend von einem rundum perfekten Service (gleich 100%) wurden vor acht Jahren lediglich 58% in der Gesamtwertung auf Basis des erarbeiteten Prüfkriterienkataloges erreicht. Zwischenzeitlich reichen die durchschnittlichen Werte von 89% bis 93%. Erfahrungsgemäß erreicht ein Hotel nie die 100%-Marke, schließlich arbeitet die Dienstleistungsbranche mit und für Menschen.

Dass Fehler gemacht werden oder eine grundsätzlich korrekte Verhaltensweise fehlinterpretiert und somit negativ gewertet wird, ist natürlich. Somit liegen die vorgenannten Erfüllungsgrade im oberen Bereich und bescheinigen den Teammitgliedern eine sehr gute Serviceorientierung und dem Betrieb an sich ein hervorragendes Erscheinungsbild bezogen auf die Hardware.

Das Testergebnis wäre also ein exzellentes Instrument, um die Mitarbeiter auf ihrem Weg zu noch mehr Servicequalität zu bestärken, sie zu motivieren, ihrer Linie treu zu bleiben. Doch was geschah? Weder die Abteilungsleiter noch die Mitarbeiter erfuhren von dem positiven Ergebnis. Sie erhielten keinen Einblick in die Kommentierungen der Aufenthaltserlebnisse des anonymen Hoteltesters, der hierin das Erscheinungsbild, die authentische Freundlichkeit, die natürliche Herzlichkeit und die fachliche Kompetenz der Teammitglieder ausdrücklich lobte. Sie erhielten keine Kenntnis darüber, dass der Mystery Guest die wenigen Kriterien, die als nicht erfüllt zu bewerten waren, als nicht relevant im Hinblick auf eine negative Beeinflussung des Aufenthaltserlebnisses beurteilte.

Stattdessen erhielten Sie vom Hoteldirektor eine Auflistung eben dieser Negativaspekte (in Form einer No-Liste, siehe dazu Kapitel 3 (Teil 3, siehe unten in 'Verbindende News) , einen Tadel und die Aufforderung, umgehend an der Verbesserung dieser Kriterien zu arbeiten. Der Hintergrund: Nur bei Erreichen eines Testergebnisses von durchschnittlich 90% auf alle, in einem Jahr durchgeführten anonymen Hoteltests erhält der General Manager seinen Jahresbonus.

Bei einer Abteilungsleiterschulung der Hotelgruppe, der der Mystery Guest als Seminarleiter vorsaß, nutzten die Führungskräfte des oben genannten Hotels ihre Chance, den Hoteltester zur Rede zu stellen. Sie waren enttäuscht, dass ihre Entwicklung nicht wahrgenommen wurde, und dass die vollumfänglich erbrachten Serviceleistungen keine Wertschätzung erfahren hatten. Das ihnen bekannte Testergebnis wich erheblich von Gästebewertungen ab. Eine so eklatante Diskrepanz war für die Abteilungsleiter und ihre Teammitglieder nicht nachvollziehbar. Sie waren ebenso überrascht wie der Silent Shopper selbst, als man sich über den Kenntnisstand zum Ergebnisbericht austauschte.

Die Moral von dieser Geschichte: Ein Hoteltester ist kein selbsternannter Übermensch, der über Mitarbeiter, Prozesse und Immobilien richtet. Vielmehr beleuchtet er sachlich Abläufe, Prozesse  und Erlebtes, berichtet neutral hierüber und trägt so dazu bei, Stärken und Schwächen innerhalb eines Betriebs und / oder Teams zu erkennen — nach Möglichkeit, bevor Gäste die Fehler wahrnehmen. Dies ist im übrigen ein häufiger Kritikpunkt, der Hoteltestern entgegenschlägt. Beim Aufzeigen erlebter Schwächen und erfahrener Mängel wird häufig damit argumentiert, die Gäste seien zufrieden mit den kritisierten Leistungen. Oder es wird eingeräumt, an den Stellen, an denen der Auditor den Staub und die Verschmutzungen gefunden habe, würde niemals ein Gast nachsehen.

Weit gefehlt! Seit Kabelfernsehen und Internet-TV und dort ausgestrahlten Medienformaten, die sich mit Testern und Kontrolleuren beschäftigen, wissen Gäste sehr wohl, wo sie nachschauen müssen. Manch ein Gast ist heute schon mit Chlorteststreifen und weißen Baumwollhandschuhen unterwegs. Zu erwähnen seien an dieser Stelle auch Argumentationen von Seiten der Hoteliers und ihrer Teams, die eine Ausnahmesituation fokussieren. Üblicherweise seien die Zimmer tadellos sauber. Leider sei die Hausdame seit drei Tagen erkrankt, daher käme es zu Engpässen. Das Team im Frühstücksservice arbeite stets sehr aufmerksam und gastorientiert. Bedauerlicherweise seien wegen Krankheit zwei Mitarbeiter ausgefallen. Die Mehrarbeit belaste die verbleibenden Teammitglieder offenbar so, dass die Aufmerksamkeit und Freundlichkeit darunter leide. Dies sei nicht an der Tagesordnung.

Auch wenn dem so ist, was an dieser Stelle gar nicht ausgeschlossen werden soll, bitte welchen Gast interessiert das? Ob die Hausdame im Dienst ist oder nicht, ob das Restaurantteam vollzählig antreten kann, der Zimmerpreis ist und bleibt derselbe. Der Standard, die Kategorie des Hauses bleibt dieselbe. Die Erwartungshaltung des Gastes, insbesondere an Basisleistungen wie Sauberkeit und Freundlichkeit, bleibt dieselbe. Selbst wenn es eine Abweichung gäbe, rechtfertigt ein Preisnachlass von zehn oder 15 % eine geringere Freundlichkeit oder schmutzige Bettwäsche?

Dennoch: von Seiten des anonymen Hotelgast gibt es keinen erhobenen Zeigefinger, nur hie und da Denkanstöße und vielleicht auch den ein oder anderen Tipp. Letzteres allerdings sehr selten, denn schließlich ist die Lösungsfindung innerhalb des Teams einer der wichtigsten Kreativprozesse innerhalb eines QMS (Qualitätsmanagementsystem). Ein Mystery Check Report ist niemals ein persönlicher Angriff gegen eine oder mehrere Personen und darf auch niemals als solcher verstanden werden. Wer persönliche Interessen in den Vordergrund stellt oder Animositäten überbewertet, nicht aber die Qualitätsverbesserung fokussiert, handelt in grobem Maße wider dem Grundgedanken des KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und gefährdet damit das gesamte System (dies gilt sowohl für die Testkunden wie auch für die Führungskräfte, die für die Weitergabe der Ergebnisse verantwortlich zeichnen).

Letztendlich würde ein solches Vorgehen dazu beitragen, im schlimmsten Fall das komplette Unternehmen in Gefahr zu bringen. Denn neben der Mitarbeitermotivation und der Basis für den KVP erfüllen Mystery Checks auch die Rolle des Strategie- und Führungsinstruments. So werden aus den Ergebnissen Zielvereinbarungen für einzelne Mitarbeiter, Teams (Concierge, Front Office Night Shift, Housekeeping Etage 1 u.a.), Abteilungen (Empfang, Küche, Haustechnik u.a.) oder Bereiche (F&B, Rooms Division u.a.) abgeleitet.

Erkenntnisse aus anonymen Hoteltests dienen dazu, Marketing- oder Unternehmensstrategien zu justieren oder gar gänzlich neu auszurichten. Zudem legen sie dar, ob Maßnahmen, die auf der Grundlage des letzten Berichts eingeleitet wurden — wie z. B. Schulungen, Coachings, Ablaufänderungen u.a. — den gewünschten Erfolg gebracht haben. Sie erfüllen damit unter anderem auch die Funktion, den return on invest (ROI) von Marketing-, Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu kontrollieren und zu messen bzw. die Durchführung ebensolcher anzuregen.

Buch Hospitality Consulting- Erfolgskonzepte für die Hotellerieberatung
Herausgeber: Burkhard Freyberg
1ste Auflage 2012
Schmidt, Erich Verlag
ISBN: 978-3-503-13843-2 

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